Sorgerecht nach der Scheidung

Sind Eltern eines Kindes miteinander verheiratet, haben sie für gewöhnlich die gemeinsame Obsorge. Kommt es jedoch zu einer Scheidung muss die Situation neu geregelt werden. Dieser Beitrag erklärt die wichtigsten Aspekte der Obsorge nach einer Scheidung und zeigt, wie Eltern auch nach einer Trennung gemeinsam Verantwortung übernehmen können.

Was versteht man unter Obsorge?

Gemäß § 158 ABGB umfasst die Obsorge

  • die Pflege (Betreuung) und Erziehung,
  • die Vermögensverwaltung und
  • die gesetzliche Vertretung in diesem und allen anderen Bereichen.

Darunter fällt (mit gewissen Grenzen) zum Beispiel auch das Recht Aufenthalt und Wohnsitz (im Inland), Ausbildung, medizinische Behandlung und religiöse Erziehung zu bestimmen. 

Die Regelung nach der Scheidung

Grundsätzlich bleibt bei einer Auflösung der Ehe oder häuslichen Gemeinschaft die Obsorge beider Elternteile aufrecht. Die Eltern haben jedoch vor Gericht eine Vereinbarung zu schließen, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird. Die Bestimmung dieses “Domizilelternteils” bringt wichtige rechtliche Folgen mit sich: 

  • die (in der Regel vorliegende) Geldunterhaltspflicht des anderen Elternteils
  • das alleinige Recht des Domizilelternteils den Wohnsitz des Kindes (im Inland) zu bestimmen
  • die Notwendigkeit der Regelung des Kontaktrechtes des anderen Elternteils
  • Informations-, Äußerung- und Vertretungsrechte des anderen Elternteils

Die Eltern können aber auch die Vereinbarung treffen, dass ein Elternteil alleine mit der Obsorge betraut wird oder die Obsorge eines Elternteils auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt wird. Dem Domizilelternteil muss allerdings immer die gesamte Obsorge zukommen. Hiervon ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Domizilelternteil selbst nicht voll geschäftsfähig ist.

Zeichnet sich ab, dass eine einvernehmliche Lösung über Obsorge und Kontaktrecht nicht möglich ist, sollten Sie sich dringend über Ihre weiteren Optionen rechtlich beraten lassen.

Was geschieht bei Streitigkeiten?

Gelingt es innerhalb einer angemessenen Frist nach der Scheidung nicht eine Vereinbarung über die Obsorge zu treffen oder stellt ein Elternteil einen Antrag auf alleinige Obsorge, hat das Gericht über die zukünftige Regelung der Obsorge zu entscheiden. 

Vor einer endgültigen Entscheidung hat das Gericht die Möglichkeit für einen Zeitraum von 6 Monaten eine so genannte “Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortlichkeit” einzuleiten. In dieser Phase kommt es noch zu keiner Änderung der bisherigen Obsorge. Stattdessen trägt das Gericht einem Elternteil die hauptsächliche Betreuung des Kindes in seinem Haushalt auf. Gleichzeitig wird dem anderen Elternteil ein derart ausreichendes Kontaktrecht eingeräumt, dass dieser sich ebenfalls um die Pflege und Erziehung des Kindes kümmern kann. Die endgültige Regelung der Obsorge erfolgt dann auf Basis der Erkenntnisse in der Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung.

Eine Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung wird nicht angeordnet, wenn sie nicht im Interesse des Kindeswohls wäre. Dann erfolgt sofort eine endgültige Entscheidung.

Entsprechend der Idee des Gesetzgebers soll auch nach der Scheidung die Obsorge beider Eltern den Regelfall darstellen. Dies setzt allerdings voraus, dass zwischen den Eltern und auch zwischen den Eltern und dem Kind eine halbwegs normale familiäre Situation besteht. Die Eltern müssen bereit und in der Lage sein, sich an der Betreuung des Kindes zu beteiligen. Es muss außerdem zwischen den Eltern ein gewisses Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit gegeben sein, sodass in sachlicher Form Informationen ausgetauscht und Entscheidungen gefasst werden können. 

Lässt sich zwischen den Eltern kein normales Gesprächsklima herstellen, kann das Gericht von der gemeinsamen Obsorge abweichen und wird dies in der Regel auch tun.

Das Kontaktrecht (früher Besuchsrecht)

Unabhängig von der Obsorgeregelung haben das Kind und jeder Elternteil  das Recht auf regelmäßige und den Bedürfnissen des Kindes entsprechende persönliche Kontakte. Dies gilt auch während eines anhängigen Obsorgeverfahrens. Schaffen es die Eltern nicht, sich einvernehmlich über die Ausübung des Kontaktrechts zu einigen, erfolgt auf Antrag eine gerichtliche Regelung.

Besteht zwischen den Eltern ein gutes Gesprächsklima, lässt sich über ein ausgiebiges Kontaktrecht ein so genanntes Doppelresidenzmodell leben. Dabei verbringt das Kind bei beiden Elternteilen annähernd gleich viel Zeit.

Gefährdung des Kindeswohls

Gefährden Eltern durch ihr Verhalten das Kindeswohl, hat das Gericht die notwendigen Verfügungen zum Schutz des Kindes zu treffen. Dabei kann die Obsorge eingeschränkt oder auch zur Gänze entzogen werden. Wenn notwendig, können sogar Kontaktrechte  eingeschränkt oder untersagt werden.

Im Zuge einer Scheidung ist vor allem zu beachten, dass auch das offene Ausleben eines Konfliktes zwischen den Eltern zu einer Gefährdung des Kindeswohls führen kann. 

Fazit: Zusammenarbeit im Interesse des Kindes

Eine Scheidung führt alleine schon aufgrund der damit verbundenen räumlichen Trennung der Eltern zu Änderungen in der Obsorge für die gemeinsamen Kinder. Besteht zwischen den Eltern weiterhin eine ausreichende Gesprächsbasis, lassen sich in der Regel die für das Kindeswohl besten Ergebnisse erzielen. Stehen einer einvernehmlichen Lösung hingegen Hindernisse im Weg, ist es essentiell, dass Sie sich frühzeitig rechtlich beraten lassen. So können Eskalationen und damit verbundene Belastungen Ihrer Kinder vermieden werden. Gleichzeitig beugen Sie damit auch Fehlern vor, die Ihnen sonst im Obsorgeverfahren zum Nachteil gereichen könnten.

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