In der Entscheidung 9 ObA 88/24t beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof mit der Möglichkeit  der Geschäftsführerhaftung bei Veranlagungsentscheidungen. Hintergrund war der Verlust von Bankguthaben einer Gesellschaft infolge der Insolvenz einer Bank. In diesem Zusammenhang kam es wohl zu grundlegenden Aussagen zum Bestehen bzw. Nichtbestehen einer generellen Risikostreuungspflicht bei der Veranlagung von Unternehmensgeldern auf Bankkonten.

In der Folge erläutern wir die Punkte, die Ihnen als Geschäftsführer helfen können, eine Haftung in diesem Zusammenhang zu vermeiden.

Zum Sachverhalt

Die klagende Gesellschaft ist in der Musikbranche (Durchführung von Musikveranstaltungen aller Art, Verkauf von Eintrittskarten und Handel mit Waren aller Art) tätig. Der beklagte Geschäftsführer war dafür verantwortlich, dass 95% der Barmittel der Gesellschaft – ein Betrag von mehr als € 20.000.000,00 – sich auf einem Geschäftskonto bei der C* AG befanden. Es liegt nahe, dass es sich bei der C* AG um die Comerzialbank Mattersburg handelt. 

Am 28. 7. 2020 wurde über das Vermögen der C* AG der Konkurs eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Kontostand der Klägerin bei der C* AG 20.292.217,63 EUR. Abzüglich des der Klägerin aus der Einlagensicherung zugeflossenen Betrags blieben 19.792.217,63 EUR uneinbringlich.

Aus der Entscheidung ergibt sich überdies, dass ein Teil dieser Gelder für die Rückzahlung an Kunden bestimmt war und dass der Verlust der Gelder existenzbedrohend für die klagende Gesellschaft war.

Allgemeines zur Geschäftsführerhaftung 

Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach § 25 Abs 1 GmbHG der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, bei seiner Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Verletzt er diese Obliegenheit, haftet er der Gesellschaft für den daraus entstandenen Schaden. 

Diese Haftung setzt somit ein Verschulden des Geschäftsführers voraus. Es handelt sich ausdrücklich nicht um einen Fall der Erfolgshaftung. Der Geschäftsführer haftet somit nicht dafür, dass seine Handlungen immer zu einem Unternehmenserfolg führen. Das Unternehmensrisiko trägt nämlich die Gesellschaft. 

Im gegenständlichen Fall käme eine Verschuldenshaftung des Geschäftsführers in Betracht, wenn er seine Organisations- und Überwachungspflichten schuldhaft verletzt hätte. 

Bei der Beantwortung der Frage, ob dies der Fall ist, muss der Sachverhalt aus einer “ex-ante-Sicht” beurteilt werden. Das bedeutet, dass die Situation des Geschäftsführers zum Zeitpunkt seiner Handlung wesentlich ist. Informationen, die ihm erst im Nachhinein bekannt wurden, sind nicht maßgeblich. 

Dieser letzte Punkt ist besonders wichtig, da Geschäftsführerhaftungen in der Praxis häufig erst im Nachhinein beurteilt werden. Man verfügt dann zumeist über zusätzliche Informationen, die der handelnde Geschäftsführer nicht hatte. Dadurch besteht die Gefahr, dass man dem Geschäftsführer Haftungen aus Fakten anlastet, die zum Handlungszeitpunkt nicht zur Verfügung standen. Der Oberste Gerichtshof spricht hier vom so genannten „Rückschaufehler“, den es zu vermeiden gilt.

Zusammengefasst haftet ein Geschäftsführer der Gesellschaft daher nur bei einem Sorgfaltsverstoß, der für ihn zum Handlungszeitpunkt ersichtlich war.

Kein Sorgfaltsverstoß

Im gegenständlichen Fall wies der Oberste Gerichtshof darauf hin, dass zwar das Eingehen unverhältnismäßiger oder sogar existenzbedrohender Risiken im Einzelfall eine Haftung begründen kann. Gewagte Geschäfte sind dem Geschäftsführer aber nicht automatisch als Verschulden anzulasten.

Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass den Geschäftsführer kein Verschulden traf, wurde als vertretbar angesehen und bestätigt. Das Berufungsgericht hatte angenommen, dass der Geschäftsführer das allgemeine Risiko, dass die langjährige Hausbank der Klägerin (allenfalls durch betrügerisches Handeln eines ihrer Vorstandsmitglieder) in Insolvenz verfallen könne, nicht als konkrete Möglichkeit in seine Veranlagungsentscheidung einbeziehen musste.

Ebenso musste der Geschäftsführer (aus damaliger Sicht) nicht erkennen, dass die die C*AG der Klägerin die angebotenen Zinsen nicht als Entgegengekommen zwecks Bindung langjähriger Großkunden gewährte, sondern als „Pull-Faktor“ eingesetzte, um kriminelle Machenschaften länger verschleiern zu können.

Wichtiges Ergebnis der Entscheidung

Der veranlagte Betrag entsprach 95% der Barmittel, unter Umständen sogar 95% des Eigenkapitals der Gesellschaft. Noch dazu musste ein Teil der Gelder an Kunden zurückbezahlt werden. Der Verlust des Geldes stellte daher ein existenzbedrohendes Risiko dar, das auch dem Geschäftsführer bewusst sein musste. Der in Rede stehende Betrag von über €20.000.000,00 war bei Weitem nicht von der Einlagensicherung gedeckt, was ebenfalls von Anfang an klar war.

Die Bestätigung der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes durch den Obersten Gerichtshof legt daher nahe, dass auch bei existenzbedrohenden Beträgen keine generelle Pflicht des Geschäftsführers zur Risikostreuung bei der Veranlagung auf einem Bankkonto besteht.

Es scheint daher auch bei hohen Beträgen zulässig, sämtliche Barmittel eines Unternehmens bei einer Bank aufzubewahren.

Anderes würde wohl nur gelten, wenn zusätzliche Voraussetzungen das Risiko der Geldanlage bei der Bank erhöhen. 

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